Michael S. Rozeff

Freiheit in der Wahl der Regierung

(2009)

 



Anmerkung

In dieser Abhandlung wiederholt Michael Rozeff auf verschiedene Weise die gleiche Botschaft, nämlich: die Freiheit, seine eigene Regierung selbst zu wählen. Die Tatsache, dass eine so einfache und vernünftige Forderung (die bereits in der Unabhängigkeitserklärung enthalten ist: "die Regierung ... leitet ihre gerechte Macht aus der Zustimmung der Regierten her") so beharrlich wiederholt werden muss, lässt die Frage aufkommen, in welch verrückter Welt wir heute leben. Es ist dann auch erforderlich, sich an die bekannten Slogans zu erinnern: Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist Stärke, und wir verstehen sofort, dass wir uns immer noch im Staat Ozeanien in ständigem Konflikt mit den Staaten Estasia und Eurasia befinden. Deshalb sind Essays wie dieser notwendig, um schnellstmöglich dafür zu sorgen, dass der große Bruder (der monopolistische Territorialstaat) vom Antlitz der Erde getilgt wird und der schauerliche Albtraum endgültig vorbei ist.

 


 

Was ist eine Regierung? Sie ist ein Vehikel, mit dem die Menschen hoffen, einige ihrer Beziehungen untereinander zu organisieren. Sie ist der Rahmen und das Mittel, durch das sie eine Steuerung erhalten. Die Steuerung oder die Regulierung einiger ihrer Interaktionen, ist das grundlegende Gut, das sie suchen, wenn sie eine Regierung einrichten.

Freiheit in der Wahl der Regierung hat ihre Wurzeln in der Freiheit des Menschen, über den Ablauf seines eigenen Lebens zu entscheiden. Ich halte die Freiheit in der Wahl der Regierungsführung für in sich selbst gut, auch als Mittel, sowohl für einzelne Menschen als auch für Gruppen von Menschen. Die grundlegende politische Idee des Panarchismus, die sich auf die Regierung bezieht, ist die, dass eine Person ihrer eigenen Regierung zustimmt. Das Ideal des Panarchismus ist die Regierung der eigenen Wahl. Freiheit in der Wahl der Regierung ist die Wurzel des Panarchismus, im Gegensatz zur Tyrannei oder dem Zwang unter einer Regierung leben zu müssen.

Die Ideen von Zwang werden von verschiedenen Personen unterschiedlich verstanden. Es existiert die Möglichkeit einer breiten Palette von Regierungsarten, und die Geschichte zeigt eine Reihe verschiedener Verwirklichungen. Der Zwang, der auf eine Person ausgeübt wird, kann die Freiheit einer anderen Person sein. Die Panarchie betrachtet die Vielfalt verschiedener und nebeneinander existierender Regierungsformen.

In dem Moment, in dem ein Beobachter Behauptungen darüber aufstellt, was die Struktur einer Regierung ist oder wie sie gebildet werden soll, drückt er seine persönliche Sichtweise aus, die sich von anderen unterscheiden kann. Wenn John Adams sagen sollte, dass wir eine Verfassung für Massachusetts brauchen und eine schreiben würde, oder dass darüber mit Mehrheit abgestimmt werden sollte, oder dass sie bestimmte Rechte garantieren sollte, oder dass sie dauerhaft sein sollte, oder dass ein bestimmter Anteil von Menschen darüber abstimmen sollte, und so weiter, dann würde er den Rahmen der Möglichkeiten und auch dessen Entwicklung im Lauf der Zeit verengen. Er würde im voraus entscheiden, wer die maßgeblichen Personen wären, die in der Gruppe sein würden, die die über Angelegenheiten entscheiden würde, und sogar, wie ihre Stimmen gezählt würden. Dies würde dem Panarchismus widersprechen.

Die Panarchisten trachten nicht danach, anderen eine Form der Regierung aufzuzwingen, obwohl sie sicherlich argumentieren können, dass einige Formen anderen vorzuziehen seien, nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere Personen. Ich nenne mich einen Anarchisten (ebenso wie einen Panarchisten), weil meine persönliche Vorliebe keiner Regierung gilt, wie wir sie kennen. Ich möchte eine Regierung. Ich denke, eine Regierung kann nicht vermieden werden, wo immer Menschen zusammen leben. In der Form sollte sie meines Erachtens so dezentralisiert und so offen für persönliche Entscheidungen sein, dass sie kaum als Regierung zu erkennen wäre. Meine anarchistischen Auffassungen prägen nicht meine Ansichten über den Panarchismus. Der Panarchismus hat bei weitem Vorrang, denn er ist eine allgemeine Sozialtheorie. Sie geht der Wahl einer bestimmten Form der Regierung logisch voraus.

Wenn ich als Anarchist spreche, habe ich oft die Regierung, wie wir sie kennen, kritisiert. Das mache ich immer noch. Das ist die Stimme von jemandem, der Freiheit fordert und versucht, andere davon zu überzeugen. Aber ich möchte meine Präferenzen deutlich von denen, die diese Regierung bevorzugen, unterscheiden. Solange ich gezwungen bin, unter einer Regierung zu leben, achte ich sie nicht als Regierung. Ich möchte nicht durch Worte tyrannisiert werden. So sage ich, dass das, was wir heute „Regierung“ nennen, ich nicht durch dieses Wort würdigen möchte, da sie tyrannisch ist. Menschen, die fühlen, dass sie unter einer Tyrannei leben, werden daran gehindert, ihre Regierungsform zu wählen. Für sie ist die „Regierung“ überhaupt keine Regierung: sie ist eine Peitsche und eine Kette und ein Gefängnis. Sie ist eine Macht, die ihnen ihre Menschlichkeit raubt. Ich bezeichne eine Regierung nur dann als Regierung, wenn sie durch Zustimmung der Regierten legitimiert wird. Von einer Clique oder einem Diktator oder einem Tyrannen „regiert“ zu werden, ohne eigene Zustimmung, hat nichts mit einer legitimen Regierung gemein. Es ist ein Widerspruch in sich selbst zu erklären, dass man von einem Tyrannen regiert wird. Man wird nicht von einem Tyrannen regiert. Man wird herumgeschubst. Der englischen Sprache mangelt es leider an dieser Unterscheidung in dem Wort „rule“. Man kann gewisse gesellschaftliche Angelegenheiten durch eine Regierung regeln, ohne von einer herrschaftlichen Macht bestimmt zu werden. Durch Gewalt kontrolliert zu werden, ist nicht dasselbe wie von einer legitimen Regierung regiert zu werden. Das eine ist ein kriminelles Unterfangen, das andere eine friedliche und einvernehmliche Angelegenheit. Das Verwechseln dieser beiden Beziehungen stumpft den moralischen Sinn ab und stellt sie fälschlicherweise auf eine Stufe. Diese Denkweise ist ein Erbe des Aristoteles, bis auf den heutigen Tag verewigt. Begraben wir sie.

Wie unterscheidet sich der Panarchismus vom Anarchokapitalismus? Da der Anarchokapitalismus eine Form des Anarchismus ist, drückt er eine persönliche Vorliebe für eine bestimmte Form der Regierungsführung aus. Es wäre eine zu große Abschweifung vom Thema zu diskutieren, was Anarcho-Kapitalismus ist oder nicht. Für unsere Zwecke verwende ich ein Zitat aus dem Wiki: "Der Anarchokapitalismus (auch als freier Marktanarchismus bekannt) ist eine individualistische, anarchistische, politische Philosophie, die die Beseitigung des Staates und die Ermächtigung des souveränen Individuums in einem freien Markt befürwortet."

Wenn der Staat nur eine Tyrannei wäre, wie ich glaube, dass dies einige prominente Anhänger des Anarcho-Kapitalismus so sehen und definieren, dann würde es eine Übereinstimmung zwischen Panarchismus und Anarcho-Kapitalismus auf dieser Ebene geben. Allerdings ist der Staat nicht nur eine Tyrannei. Er hat viele Unterstützer. Viele Leute stimmen für ihn und seine Programme. Es gibt eine gewisse Zustimmung und Unterstützung für den Staat und was er tut. Es gibt eine Forderung nach Staaten verschiedener Art, und das sehen wir überall in der Welt und in der Geschichte. Die große Vielfalt an Staaten deutet auf unterschiedliche Wünsche hin. Wir sehen diese Vielfalt von Wünschen auch darin begründet, dass einige mit den gegenwärtigen großen Regierungen unzufrieden sind und zu den kleineren Regierungen der Vergangenheit zurückkehren wollen. Die Beseitigung des Staates zu fordern, wie es die Anarchokapitalisten empfehlen, bedeutet, die eigene Präferenz für eine Form der Regierungsgewalt anderen aufzuerlegen. Nicht jeder will freie Märkte in allen Belangen oder die Beseitigung des Staates in seiner Gesamtheit. Ein Panarchist vertritt nicht die Beseitigung des Staates als allgemeines Anliegen, auch wenn dies für ihn als Anarchisten seine persönliche Vorliebe ist, oder auch wenn er versucht, andere dazu zu bewegen, mit einem weitgehend reduzierten oder gar keinem Staat zu leben.

Der Panarchist vertritt nicht die Ermächtigung des souveränen Individuums in einem freien Markt. Man mag, so wie ich, eine Gesellschaft mit sozialen Beziehungen einer bestimmten Art wünschen, aber ein Panarchist ist nicht darauf versessen, dass dies mit anderen geschehen soll, sondern will dies nur für sich selbst in Verbindung mit anderen, die dies wünschen.

Der Panarchist befürwortet die Freiheit in der Wahl der Regierungsgewalt.

Nirgends habe ich ein Territorium erwähnt. Es ist in der Idee der Panarchie enthalten, dass territoriale Grenzen, die von einigen Menschen gemacht worden sind, mehr oder weniger willkürlich oder durch Waffengewalt und andere derartige Mittel und nicht durch legitime Mittel wie die Bewirtschaftung des Landes, keine Grundlage für die Klassifizierung und Gruppierung von Menschen gegen ihren Willen oder ohne ihre Zustimmung sein kann. In der Tat kann kein willkürliches Kriterium aus einer äußerlichen Quelle auferlegt werden und zugleich Freiheit in der Wahl der Regierungsgewalt eingehalten werden. Das Territorium ist ein solches Kriterium, aber es gibt andere wie Stamm, Farbe, Religion, Ethnizität, Klasse, Bevölkerungsdichte, Alter, Geschlecht, und so weiter.

Der Anarcho-Kapitalist, der keinen Staat befürwortet, geht implizit davon aus, dass alle Personen in einem bestimmten Gebiet, das der Staat als sein eigenes erklärt hat, ein Volk bilden, das von diesem Staat und all seinen Operationen und Programmen befreit werden sollte. Der Libertäre, der für die Freiheit eintritt, jede Droge nutzen zu können, nimmt implizit ein territoriales Gebiet für diese Freiheit an. Der Finanzexperte, der einen Goldstandard vorschlägt, nimmt implizit ein territoriales Gebiet für seine Geltung an. Wenn John Adams eine Verfassung für Massachusetts vorschlägt, verhält es sich ähnlich, denn er denkt an alle Menschen innerhalb bestimmter Grenzen. In all diesen und anderen Fällen speisen die Befürworter der Freiheit ihre persönlichen Präferenzen ein. Sie zeigen tatsächlich, wie sie zu leben lieben und wie sie denken, dass andere leben sollten, und sie bezeichnen diese Vorlieben als Freiheit. Natürlich wird dieser Ansatz von denen abgelehnt, die bestimmte Merkmale des Staates wollen. Es gibt diejenigen, die Drogen verbieten oder Abtreibung verbieten wollen oder eine Sozialversicherung durch die Regierung wollen. Die „Freiheit“, die von Libertären oder Anarchisten befürwortet wird, ist aus ihrer Sicht Zwang. Sie bedroht ihre bevorzugte Lebensweise.

Beim Versuch, Freiheit für alle zu erreichen, ist der Libertäre oder Anarchist sein eigener schlimmster Feind. Er stößt all jene vor den Kopf, die sich durch einige Aspekte seines Freiheitsprogramms bedroht fühlen, die sie nicht mögen. Darüber hinaus streitet er unermüdlich mit seinen Mit-Libertären und Mit-Anarchisten über die 25 Prozent der Fragen, über die sie nicht einer Meinung sind.

Indem Panarchisten die Freiheit in der Wahl der Regierung verteidigen, stellen sie damit zugleich nicht die Regierung für andere auf eine Grundlage die notwendig territorial, religiös, ethnisch ist oder irgendeinem anderen Kriterium folgt. Diejenigen, die ihre eigene Regierung schaffen, können freiwillig ein solches Kriterium wählen, aber die panarchistische Idee schließt eine solche Grundlage in ihren Anschauungen nicht ein.

Wenn diejenigen, die die Freiheit bevorzugen, immer größere Fortschritte machen wollen, um ein größeres Maß an Freiheit zu erlangen, dann können sie nicht zulassen, dass ihre persönlichen Vorlieben für das Leben in der Freiheit die Tatsache beeinflussen, dass die Panarchie das einzige logische Ideal ist, das mit allen Arten von persönlichen Vorlieben im Einklang steht.

Es wird nie eine erfolgreiche Freiheitsbewegung geben, bis es Einigkeit über ein einziges übergeordnetes Ideal gibt; geteilt zu werden heißt besiegt zu werden. Freiheit in der Wahl der Regierung ist ein solches Ideal. Das Problem der Vereinigung hat damit zu tun, was Freiheit bedeutet. Libertäre, Anarchisten und Panarchisten können nicht erfolgreich sein, wenn sie sich nicht unter einem Banner oder einer Forderung vereinigen, die, wie es mir jetzt scheint, Freiheit ist, die eigene Regierung zu wählen. Es bedeutet Freiheit, eine Gruppe (oder einen Zusammenschluss) überall auf der Welt zu bilden, einschließlich der Verbreitung über die ganze Welt, und innerhalb dieser Gruppe das Einverständnis der Regierten zu haben.

Es gibt zahlreiche Libertäre in Amerika, vielleicht die Mehrheit von ihnen, die die Verfassung ändern oder sie wiederherstellen wollen oder eine beliebige Anzahl anderer ähnlicher Standpunkte vertreten. Sie wollen jedenfalls die Gesetze ändern, unter denen wir leben. Bei der Suche nach diesen Veränderungen, nehmen sie an, dass sie das Los von anderen verbessern werden, indem sie ihnen Freiheit geben. Sie stoßen damit auf enormen Widerstand, weil es eine breite Palette von persönlichen Vorlieben gibt, die nicht unter einer einzigen Regierungsform ausgearbeitet werden können, einschließlich der libertären Form, die ihre eigene Version der Freiheit für alle bringt. All diese Anstrengungen zielen darauf ab, unsere gemeinsamen Schicksale innerhalb eines einzigen und gleichen Herrschaftsrahmens zu erarbeiten. Das kann nur tyrannisch geschehen, weil viele diesem Rahmen widersprechen und nicht zustimmen werden.

Wenn das Freiheitsprogramm zu einem übergeordneten Ziel - Freiheit die eigene Regierung zu wählen - erhoben würde, würden diese Schwierigkeiten dahinschmelzen. Wenn alle, die nach Freiheit streben, deutlich machen, dass sie nur danach streben, sich durch ihre eigene Zustimmung selbst zu regieren, und andere sich durch deren eigene Zustimmung selbst regieren lassen, dann wären sie nahe an der Idee der Kolonisten, sich von Großbritannien zu trennen. Sie wären vereinigt. Sie hätten eine weitaus größere Chance, eine Verbesserung der Freiheit zu verwirklichen. Sie würden nicht mehr andere bedrohen, und der Widerstand anderer würde an Boden verlieren. Sie hätten eine moralisch hochwertige Position, denn wer kann jemanden gerechtfertigt kritisieren, der die Freiheit haben will, seine Regierung selbst zu wählen? Wer kann bestreiten, dass eine Regierung die Zustimmung der Regierten haben sollte? Wenn diese Prinzipien eingestanden sind, dann werden die einzigen Vorbehalte und Einwände praktischer Natur sein. Die Leute werden sich fragen, wie dies geschehen soll? Wie wird es funktionieren? Diese Dinge können immer noch ausgearbeitet werden, sobald das Prinzip, das wichtig ist, eingestanden wird. Dieses Prinzip ist: Freiheit in der Wahl der Regierung. Freiheit in der Wahl der Regierung ohne eine aufgezwungene territoriale Beschränkung oder irgendein anderes aufgezwungenes Kriterium, während die Freiheit der Menschen gefeiert wird, sich auf jeder Grundlage ihrer Wahl zusammen zu schließen, oder auch nicht.

(Übersetzt von Christian Rode)

 


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